Über Alterseinsamkeit redet niemand gern. Ein Theaterprojekt, das in mehreren Kantonen gezeigt wird, will dies ändern. Es verbindet Kultur mit konkreten Anregungen, um der Einsamkeit entgegenzuwirken.
Die Theateraufführung bildet den Auftakt für eine vertiefte Auseinandersetzung: Das Stück "Einsamkeit im Alter" zeigt an vier Beispielen unterschiedliche Facetten von Alterseinsamkeit. In die Rollen schlüpfen Seniorinnen und Senioren des Theaterensembles Obertor Winterthur. Was ihre Figuren erzählen, ist aus dem Leben gegriffen und illustriert, unter welchen Umständen Einsamkeit im Alter entstehen kann: Eine Protagonistin hat mit dem Tod der Schwester ihre wichtigste Bezugsperson verloren. Einer ehemaligen Coiffeuse fehlen nach der Pensionierung die Kontakte zu ihrer Kundschaft.
Eingeschränkte Mobilität und der Wegfall von Aufgaben und Kontakten sind äussere Rahmenbedingungen, die ältere Menschen vereinsamen lassen. "Früher hatte ich das Gefühl, voll am Leben beteiligt zu sein", bringt es eine der Personen im Stück auf den Punkt.
Einsamkeit ist keine Sackgasse
Die Aufführung ist kurz und unterhaltsam, trotz des ernsten Inhalts. Der gesellige Charakter des Anlasses sei Programm, erklärt die Projektleiterin Susanne Schaaf vom Institut für Sucht- und Gesundheitsforschung. Das Theaterprojekt, das sich an Altersinstitutionen oder Kirchgemeinden richtet, will niederschwellig Wissen vermitteln und das Publikum motivieren, der Entwicklung von Einsamkeit aktiv entgegenzuwirken.
Ergänzt wird das Theater deshalb mit einer moderierten Gesprächsrunde, in der das Gesehene vertieft und eine persönliche Reflexion in Gang gesetzt wird. "Die Geschichten, die dabei zusammenkommen, sind sehr berührend", berichtet Susanne Schaaf. Um das Eis zu brechen, habe sich ein indirekter Einstieg bewährt. "Auf die Frage, ob man im Umfeld eine einsame Person kennt, kommt mehr Resonanz, als direkt zu fragen, ob sich jemand einsam fühlt."
Die Projektleiterin plädiert für mehr Offenheit im Umgang mit dem Thema Einsamkeit, das immer noch mit einem Stigma behaftet sei: "Einsamkeitsgefühle kennt jeder. Sie sind menschlich." Betroffenen falle es aber schwer, sich zu outen. "Sie fragen sich, was mit ihnen nicht stimmt, und schämen sich."
An den Theateranlässen wird deutlich, dass Erfahrungen mit Einsamkeit verbreitet sind, und dass es Mittel und Wege gibt, um die soziale Isolation im Alter zu überwinden. Der offene Austausch wird von den Besucherinnen und Besuchern geschätzt und sie gehen inspiriert und mit neuen Ideen nach Hause. Damit der Elan nach dem Theaterbesuch anhält, bietet das Projekt zusätzlich einen SMS-Dienst und bei Bedarf auch Beratung an. Die Teilnehmenden erhalten zwei Monate lang weitere Anregungen und lokale Veranstaltungshinweise.
Verantwortung übernehmen
"Einsamkeit ist keine Sackgasse", betont Susanne Schaaf. Wer für das Thema sensibilisiert ist und sich einen Ruck gibt, kann aus eigener Kraft etwas dagegen unternehmen – oder es gar nicht so weit kommen lassen. Die Expertin gibt dafür folgende Ratschläge mit auf den Weg:
- Suchen Sie sich ein Hobby.
- Greifen Sie zum Telefon und gehen Sie auf andere zu.
- Nehmen Sie es nicht persönlich, wenn Sie einen Korb erhalten, und bleiben Sie flexibel.
Einsamkeit im Alter sei ein Thema, das die ganze Gesellschaft angehe, betont die Projektleiterin: "Wir möchten vermitteln, dass es erstrebenswert ist, füreinander da zu sein und soziale Verantwortung zu übernehmen."
Das Projekt "Einsamkeit im Alter – Wege aus der Einsamkeit"
- Das Projekt besteht aus drei Modulen: Einem Theaterstück, einer moderierten Gesprächsrunde und einem SMS-Dienst.
- Initiiert wurde es vom Schweizer Institut für Sucht- und Gesundheitsforschung ISGF. Es wird von verschiedenen Stiftungen unterstützt.
- Das Pilotprojekt wurde 2022 und 2023 in den Kantonen Zürich und Bern umgesetzt. Eine Fortsetzung in anderen Regionen ist geplant.
- Das Theaterprogramm kann von Gemeinden oder Altersorganisationen gebucht werden. Weitere Informationen: www.einsamkeit-im-alter.ch
Bild vom Projekt Einsamkeit im Alter zur Nutzung freigegeben, Quelle: iStock.com/Ljupco